Nachdem Beitho und ich vergangenen Samstag auf einer Hochzeit im Allgäu waren beschlossen wir auch aufgrund des miesen Wetters am folgenden Sonntag zur Eurobike nach Friedrichshafen zu fahren. Ganz so "um die Ecke" wie wir uns das vorstellten und der eine oder andere Peichl behauptet war der Bodensee natürlich nicht, aber es hat sich auf jeden Fall gelohnt.
Der große Trend (wie nur unschwer zu vermuten) war natürlich das Singlespeed- oder Fixed Gear Bike (Bahnrad). Nachdem man selbst in den doch eher rückständigen, deutschen Metropolen kaum mehr an ihnen vorbei kommt waren auch auf der Eurobike extrem viele dieser Räder zu sehen. Kaum ein großer Stand der ohne eines dieser Räder auskam und wer keine eigenen im Programm hat lieh sich welche von anderen Herstellern um sein eigenes Image aufzupolieren. Am beliebtesten waren die Bikes der Karlsruher Marke FIXIE INC aber da so viele Besucher um die sehr schön aufgebauten Räder standen war es fast unmöglich ein anständiges Bild zu machen.
Doch nicht alle kamen so authentisch daher wie Charge. Besonders cool und trendy wollte wohl Specialized sein und bot gleich zwei unterschiedliche Fixies an. Die Farben sind auf jeden Fall schön und die zwei Zahnkränze am Hinterrad sind sicher auch nicht dumm. Aber erstens kann ich mit solch schwachsinnigen Pseudo-Texten wie hier auf der Kettenstrebe zu sehen gar nichts anfangen. Da baut man ein reduziertes Bike und klatscht es anschließend mit Nonsens voll. Ich mag Typo aber wer zum Henker braucht die New Yorker Taxi-Preise auf dem unteren Ende seines Unterrohrs?
Und zweitens ist es doch albern einen auf Rough, Handmade und New York zu machen, wenn groß und fett der Name eines riesigen Massenherstellers aus Morgan Hill auf dem Unterrohr steht. Das hat nun wirklich nichts mehr mit den Fahrradkurrieren aus New York als Ursprung dieses Trends zu tun. Da bringt auch der auf dem Oberrohr abgedruckte New Yorker Taxi-Fahrer-Ausweis nichts, aber vielleicht reicht das dem Schnösel von der Straße damit er sich in Hannover, Heilbronn oder Düsseldorf wie in New York City fühlt. Meiner Meinung nach der Ausverkauf einer .... ach egal!
Ähnlich pseudo-urban aber nicht halb so peinlich kam Mavic mit ihrem neuen Crossmax SX Laufradsatz daher. Florale Muster sind zwar schon seit Ewigkeiten nicht mehr hip, aber man hat sich wenigstens Mühe gegeben, was ich bei Specialized nicht erkennen konnte.
In der Mode und im Design längst schon tot feierte auch die schwarz-goldene Farbkombi auf der Eurobike eine erstaunlich große Party. Ob bei Scott, Orbea, Ghost oder anderen (meist mit olympischem Edelmetall versehenen) Herstellern an dieser Sonderfarbe hatten sie alle ihren Spaß, was sich nicht nur an Bikes und Deko sondern auch an den unzähligen Slogans wie "Go for Gold" oder "Ready for Gold" widerspiegelte. Gut aussehen kann es ja trotzdem, vorallem wenn man es mit einer gekonnten Helvetica-Kreation kombiniert, wie man auf dem Dämpfer und sehr klein auch auf der Innenseite der Kettenstrebe oder der Rückseite des Sitzrohres sehen kann.
Doch Gold allein macht weder glücklich noch ein tolles Design. Dass die Italiener teilweise einen sehr eigenen Geschmack haben weiss jeder, der schon einmal auf der MILAN DESIGN WEEK war. Aber was Fondriest ablieferte war wirklich erstaunlich hässlich.
Die wirklich hippen Farben fielen mir hauptsächlich bei sehr kleinen Herstellern und natürlich bei Commencal auf. Yeti ist mit seiner türkis, schwarz-weiß Kombi ebenfalls weit vorne und Bianchis Räder sind derzeit auch, aber nicht nur wegen der trendigen Farbe "Celeste" sehr gefragt was den PISTADEX weiter steigen lassen wird.
Einen ungewöhnlichen Umgang mit Typo bietet auch Pinarello auf seinem Spitzenmodell Prince. Je nach Farbe steht entweder der Name des Hersteller oder der Name des Modells auf dem Unterrohr. Oder liegt es an der Ausstattung oder an der Seite? Ich kann es absolut nicht nachvollziehen, der Rahmen ist auf jeden Fall der gleiche. Dass dies kein Versehen ist zeigen die Zeitfahrmaschinen, die teilweise sogar nur mit einer Abkürzung des Markennamens also nur "Pina" daherkommen.
Natürlich hatte Pinarello auch das Rad des spanischen Meisters mit der gelb-roten Sonderlackierung auf ihrem Stand. Man verzichtete aber auf Grund möglicher Erklärungsnöte darauf seine Abkürzungen "Valv" oder "Piti" auf das Unterrohr zu schreiben. Das wäre ja auch zuviel des Guten, schließlich soll sein Köter keine schlafenden Hunde wecken...
Profiräder waren bei den Ausstellern allgemein sehr beliebt. Jeder Hersteller der irgendetwas mit einem Profiteam zu tun hatte wollte das möglichst individuell lackierte Rad seines Stars ausstellen (das Rosa Giro-Rad von Contador war gleich an mehreren Ständen zu sehen).
Eine Besonderheit, die mir so noch nie aufgefallen war sind diverse Maskotchen wie z. B. ein Yeti oder Slogans auf dem Oberrohr. In diesem Fall "You can do it", was den Fahrer eines Simplon-Rahmens motivieren soll. Aber wenn der Kopf schon mal so tief hängt, dass der Slogan in Sichtweite gerät, ist die Typo auch nicht wirklich überzeugend (zu klein, zu feine Strichstärke und zu runde Formen).
Wenig spektakulär, aber dennoch erwähnenswert: das Sunn Finest. Nicht weil sie kleine Diamanten in den Markennamen setzen (...), sondern weil sie zu den Wenigen gehören, die wissen wie man mit Typo umgehen sollte. Die Ligatur beim Modellnamen absolut top, bei s und t in einer Serifenschriften eventuell auch möglich aber kein Muss.
Es gibt viele Hersteller, die die Helvetica mittlerweile ganz gut einsetzen. BMC aus der Schweiz (!) ist einer davon. Canyon hat mit Sicherheit eine der spannendsten Typos. Schade, dass ganz oben an ihrem Stand ein Buchstabe fehlte und der einzige Durchgang auf ihrem Stand so eng war, dass man kaum durch kam und kein Bild von ganzen Rädern machen konnte. Dennoch ein toller Stand.
Zu meinen persönlichen Highlights gehörten die Bikes der holländischen Marke Van Nicholas. Die Modellpalette ist nicht mit denen großer Firmen zu vergleichen aber auch sie haben Singlespeeder und 29" Bikes im Angebot. Was noch viel beeindruckender ist, sind die vielen kleinen Details, die die sehr schlicht gehaltenen Titanium-Rahmen zu kleinen Schmuckstücken machen. So tauchen an den Sockeln für die Scheibenbremse, den Ausfallenden oder Sitzstreben immer wieder kleine gefräste Vs auf und selbst bei der Sattelklemmung geht man eigene Wege.
Ein weiterer Favorit ist der Stand des Rohrherstellers Columbus. Einfache Holzkästen mit einfacher Auskleidung, schwarz mit weißer Typo und einer Sonderfarbe. Dazu große Schwarzweiss Fotografien.
Die Kombinationen von handgezeichnetem Logo und ziemlich strenger Schrift, von offenem Holz und Neonlack sieht toll aus. Sehr klar, sehr authentisch, sehr billig und dennoch sehr schön. So einfach kann gute Gestaltung sein.
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